Homeoffice für immer? Das sagen Bauer, OTTO, Snap, der SPIEGEL und die ZEIT
Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt massiv verändert. Über ein Jahr nach ihrem Ausbruch arbeiten immer noch Millionen Deutsche von zuhause aus. Doch langsam füllen sich auch die Büros wieder. Steigende Impfquoten und gelockerte Kontaktbeschränkungen machen es möglich. Wie also werden wir in Zukunft arbeiten? Und was haben die Firmen aus der Krise gelernt?
Wir haben fünf große Unternehmen aus der Medien- und Digitalwirtschaft danach gefragt – und ganz unterschiedliche Antworten erhalten. Nur so viel ist sicher: Unser Arbeitsleben wird nie mehr so sein wie früher!
Übrigens: Würde es nach den Arbeitnehmer*innen gehen, dann wäre das Homeoffice aus ihrem Alltag sowieso nicht mehr wegzudenken. Laut einer aktuellen Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens EY, wollen 81 Prozent aller Befragten auch künftig komplett oder zumindest teilweise zuhause arbeiten. Noch konkreter hat das die Hochschule für Berufstätige FOM untersucht, laut der sich Berufstätige für die Zeit post Corona einen Homeoffice-Anteil von rund zwei Tagen pro Woche wünschen. Ein Zurück zum Status quo vor der Pandemie kommt für Beschäftigte also nicht infrage.
Und das sagen die Bauer Media Group, die Otto Group, Snap Inc., der SPIEGEL und die ZEIT aus Hamburg dazu:
Inga Leister, Chief Innovation Officer Publishing Germany bei der Bauer Media Group:
„Produktivität ist nicht mit Anwesenheit gleichzusetzen."
„Führung, Kommunikation, Zusammenarbeit. Diese und weitere Themen haben sich durch die Pandemie grundlegend verändert – auch zum Besseren! Wir haben von einem Tag auf den anderen alle 1.700 Mitarbeiter*innen ins Homeoffice versetzt. Wenn wir ehrlich sind: Niemand von uns hätte gedacht, dass das so reibungslos funktioniert – und zwar ohne, dass die Qualität unserer Arbeit und unserer Produkte darunter gelitten hat. Das hat uns gelehrt: Produktivität ist nicht mit Anwesenheit gleichzusetzen.
Nach den Erfahrungen der letzten Monate haben wir heute auch einen viel klareren Blick auf das physische Office: Unsere Büros sind nicht einfach nur Flächen mit Schreibtischen. Sie sind Begegnungsstätten, die unsere Arbeit vereinfachen, uns motivieren und Spaß machen und das Ergebnis verbessern. Deshalb wird das Office verstärkt als Ort der Begegnung, des kreativen Miteinanders und lösungsorientierten Arbeitens genutzt werden.
Für uns ist klar, dass beides wichtig ist: mobile Arbeitsorte, die die Vereinbarkeit von beruflichen Anforderungen mit der privaten Situation erleichtern, und ein Office als Arbeitsort, das unsere Kultur sichtbar und erlebbar macht, das Zugehörigkeit schafft und kreative und innovative Prozesse in der Zusammenarbeit fördert. Deshalb arbeiten wir an einer Vereinbarung zu mobilem Arbeiten, die hybride Arbeitsmodelle fördern wird.“
Ingo Bertram, Corporate Spokesman HR & CSR bei OTTO:
„Am 13. März 2020 hat OTTO vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden pandemischen Situation das bereits 2017 eingeführte Mobile Arbeiten zum neuen Standard erklärt. Seitdem arbeitet das Gros unserer Mitarbeitenden remote. Dessen ungeachtet wird OTTO über die Corona-Krise auf ein hybrides, aktivitätsbasiertes Arbeitsmodell switchen. Die 5-Tage-Woche im Büro ist damit Geschichte, zumindest für die allermeisten Beschäftigen.
Unsere Mitarbeitenden werden künftig individuell sowie in Absprache mit ihrem Team entscheiden können, welcher Arbeitsort für sie und die ihnen übertragenen Aufgaben am besten passt. Kollaborative, kreative Arbeit sehen wir künftig eher in Präsenz, Konzentrationsarbeit eher im Mobile Office, wobei die endgültige Wahl individuell bei den Arbeitnehmer*innen liegt.
Wir erwarten überdies nicht, dass Mitarbeitende für einen Job nach Hamburg ziehen müssen. Zwar bleibt Hamburg der vertragliche Beschäftigungsort und auch Meetings werden, wenn in Präsenz geführt, auf unserem Hamburger Campus stattfinden. Grundsätzlich aber können unsere Kolleg*innen ihren Arbeitsort innerhalb Deutschlands frei wählen. Egal wo.“
Götz Trillhaas, Managing Director DACH bei Snap Inc.:
„Das ausgedehnte Homeoffice während der Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig eine offene, um Austausch bemühte Unternehmenskultur ist, die die Kraft hat, auch über die digitalen Kanäle zusammenzuschweißen. Da wir generell sehr international und mit digitalen Tools wie Videokonferenzen arbeiten, hat sich intern bei uns nicht sehr viel verändert. Vielmehr haben wir die bestehenden Angebote modifiziert und an die neue Situation angepasst. Wir setzen weiterhin standardmäßig auf virtuelles Arbeiten.
Gleichzeitig möchten wir unser Office in Hamburg als Erlebnis- und Begegnungsraum etablieren und so umgestalten, dass es noch mehr Raum und Möglichkeiten für den Teamaustausch gibt. Denn Videokonferenzen und E-Mails haben ihre Vorteile, aber für Teamarbeit und Workshops ist das Büro unschlagbar.
Die Pandemie wird sich in meinen Augen auch nachhaltig auf die Meetingkultur auswirken. Immer öfter wird man sich die Frage stellen, ob wirklich alle Teilnehmer*innen persönlich anwesend sein müssen. Das hat natürlich auch Einfluss auf zukünftige Dienstreisen. Gleichzeitig bedeutet das nicht, dass persönliche Treffen ausgedient haben. Vielmehr werden wir Meetings erleben, die mit deutlich mehr Bedacht geplant und mit konkreter Intention abgehalten werden.“
Felix Blum, Leiter Organisationsentwicklung und Personal bei der SPIEGEL-Gruppe:
„Wir möchten, dass die Beschäftigten flexibel arbeiten können."
„Die Arbeitswelt hat sich durch Covid auch für uns stark verändert. Einiges werden wir fortführen. Aber es gibt auch Veränderungen, die wir möglichst bald wieder rückgängig machen wollen.
Starke Publizistik braucht intensive Auseinandersetzung mit anderen Menschen, anderen Sichtweisen, braucht das konstruktive Streiten. Das geht bisweilen besser mit persönlicher Begegnung. Gleiches gilt für einen Kreativprozess, in dem man sich gegenseitig beflügeln soll.
Auf der Haben-Seite stellen wir aber schon jetzt fest, dass wir schwer zu findende Profile leichter besetzen können, indem wir großzügiges Arbeiten von beispielsweise Süddeutschland aus ermöglichen. Einige Beschäftigte haben bereits Pläne, ihren Wohnsitz aus Hamburg ganz weg zu verlegen. Bei Betreuungsengpässen profitieren die Beschäftigten von flexiblem Arbeiten.
Es wird also darauf ankommen, die Chancen aus der Flexibilisierung in eine gute Balance mit den Nachteilen des dezentralen Arbeitens zu bringen. Wir möchten, dass die Beschäftigten flexibel arbeiten können, wenn es sie motiviert, sich aber auch jederzeit im Verlagshaus willkommen fühlen. Wir rechnen damit, dass für konzentrierte Effizienz eher Remote-Arbeit und für die Tage mit wenig Terminen und mehr Freiraum zum Austausch eher das Büro gewählt wird.“
Frank Kohl-Boas, Leiter Personal und Recht bei der ZEIT Verlagsgruppe:
Wir werden als Individuen und als Organisation lernen, wie wir das Mehr an Flexibilität von Zeit und Ort so gestalten, dass wir keiner Entgrenzung Vorschub leisten. Dazu müssen wir das Zugehörigkeitsgefühl und den Zusammenhalt erhalten und immer wieder stärken.
Unser digitales Recruitment und Onboarding funktionieren sehr gut und wir stellen – wie bereits vor der Pandemie – im Einzelfall Mitarbeiter*innen an ihrem Wohnort in Deutschland ein. Ob Menschen sich aber langfristig zu einem Unternehmen zugehörig fühlen, wenn sie ohne physische Vernetzung bleiben, wage ich zu bezweifeln.
Was zählt ist, Offenheit für pragmatische Lösungen zu zeigen, den Mut zu haben, neue Dinge auszuprobieren und gegebenenfalls auch immer wieder anzupassen.“