Willkommen im Vorstand, Prof. Dr. Annina Neumann
Prof. Dr. Annina Neumann ist Professorin für Künstliche Intelligenz an der Hochschule Flensburg. Ihr akademischer Werdegang umfasst ein Studium der Bioinformatik sowie einen Master in neurokognitiver Psychologie, was ihre interdisziplinäre Expertise in diesen Bereichen unterstreicht. Seit November dieses Jahres verstärkt sie als neu gewähltes Vorstandsmitglied die Digitale Wirtschaft Schleswig-Holstein e.V. Mit ihrer wissenschaftlichen Expertise und ihrer Leidenschaft für die Verbindung von Wissenschaft, Wirtschaft und Digitalisierung wird sie das Netzwerk mit frischen Impulsen bereichern.
Im Interview spricht sie über ihre persönlichen Beweggründe, ihre Vision für Schleswig-Holstein und darüber, wie Künstliche Intelligenz die Wirtschaft in unserer Region transformieren kann.
Wir freuen uns, Ihnen einen Einblick in die spannende Perspektive von Prof. Dr. Neumann geben zu dürfen. Auf eine gute Zusammenarbeit!
Über Sie und Ihren Weg
Ihr Weg zur Künstlichen Intelligenz ist beeindruckend – aber was hat Sie am Anfang besonders fasziniert und angetrieben, sich auf diesen Bereich zu spezialisieren? Gab es einen besonderen Moment oder eine Entscheidung, die für Sie wegweisend war?
- Ich bin eher auf Umwegen zur KI gekommen. Mich hat ursprünglich interessiert, wie das hochkomplexe Wesen „Mensch“ funktioniert. Ich habe dann Bioinformatik und Neuro-Cognitive Psychology studiert. KI-Methoden und KI-Fragestellungen sind so ein integraler Bestandteil dieser Themenfelder, dass ich von Anfang an viele Berührungspunkte hatte. Im Laufe meiner Karriere habe ich dann immer wieder nach Anknüpfungspunkten gesucht, bei denen es nicht mehr nur darum ging zu verstehen, wie Menschen intelligent handeln, sondern darum Maschinen zu programmieren, die mit ihrem eigenen intelligenten Handeln Menschen ergänzen.
Was reizt Sie an Ihrer Arbeit an der Hochschule Flensburg am meisten, und wie hat sich Ihre Rolle als Professorin im Laufe der Zeit entwickelt?
- Am meisten reizt mich die Möglichkeit, Studierende für das Thema KI und MINT-Bereiche allgemein zu begeistern. Ich möchte einerseits die Einstiegshürde für junge Menschen senken, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Andererseits möchte ich auch Talente entdecken und fördern, die Spaß daran haben in so einer komplexen Thematik Fuß zu fassen und sich ihre berufliche Zukunft in interdisziplinären, innovativen Teams vorstellen. Meine Rolle als Professorin hat sich in meinen ersten 1.5 Jahren an der Hochschule nicht grundlegend verändert, aber ich finde immer mehr zu einer Balance zwischen Lehre, Transfer und Wissenschaft.
Mittelstand und Digitalisierung
Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Wo sehen Sie besondere Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen in Schleswig-Holstein, wenn es um die digitale Transformation geht, und wie kann KI ihnen konkret helfen?
- Ich sehe seit ca. 15 Jahren die gleichen Herausforderungen bezüglich digitaler Transformation: ein sehr hohes Bedürfnis nach Sicherheit und Planbarkeit, gepaart mit einer negativen Fehlerkultur, welche wenig Raum lässt für individuelle Ideen. Diese Herausforderungen sind erst einmal unabhängig von der Unternehmensgröße, aber gerade KMUs haben oft nicht den finanziellen Spielraum für notwendige Experimente. Und dann ist es noch schwieriger, sich aus der Komfortzone herauszuwagen.
- KI kann langfristig viele Geschäftskennzahlen positiv verändern – durch effizientere Prozesse, Entlastung von Fachkräften, etc. Allerdings darf man nicht vergessen, dass KI einem nicht bei dem Change-Prozess an sich hilft, im Gegenteil: wenn man KI gewinnbringend einsetzen möchte, muss man bereits transformationsfähig sein. In bestimmten Bereichen ist es vielleicht bisher nicht aufgefallen, wenn man die digitale Transformation „ausgesessen“ hat. Aber wenn man KI einsetzen möchte, braucht man nun einmal digitale Infrastruktur und entsprechende Kompetenzen.
Haben Sie Beispiele für Unternehmen, die den Sprung erfolgreich geschafft haben, und was können andere daraus lernen?
- Ich habe bisher noch kein starres Erfolgsrezept gesehen. Ich sehe aber immer wieder den Zusammenhang mit einer grundlegenden Bereitschaft zur Veränderung: Unternehmen, welche eine sich verändernde technologische Landschaft als Wettbewerbsbedingung in der heutigen Zeit akzeptieren, stellen sich besser darauf ein und machen sich somit auch Technologien wie KI vergleichsweise schnell zunutze. Technologische Veränderung als sporadisch auftretendes Problem zu begreifen, welches man in einem außergewöhnlich großen Kraftakt überwinden musss, halte ich für zermürbend. Denn sobald man einen „Sprung“ geschafft hat, steht schon wieder der nächste an.
Neue Rolle bei DiWiSH
Als neues Vorstandsmitglied der DiWiSH übernehmen Sie eine wichtige Aufgabe. Was hat Sie persönlich dazu motiviert, diese Verantwortung zu übernehmen, und welche Vision haben Sie für Ihre Zeit im Vorstand?
- Ich bin der Meinung, dass es immer Menschen braucht, die aktiv und konstruktiv mitgestalten. Ich sehe bei der DiWiSH diesen Mitgestaltungswillen und das möchte ich gerne als Vorstandsmitglied unterstützen. Generell möchte ich meine Zeit im Vorstand nutzen, um KI breiter in die digitale Wirtschaft zu integrieren – und zwar nicht rein als Technologie, sondern als Innovationstreiber.
Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen, in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der digitalen Wirtschaft zu bewegen?
- Die jungen Talente aus den Hochschulen mit etablierten Netzwerken zusammenzubringen, zu schauen, was für Ideen entstehen, und diese zu begleiten.
Künstliche Intelligenz in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein ist ein spannendes Pflaster für Künstliche Intelligenz. Wo sehen Sie die größten Chancen für die digitale Wirtschaft in der Region, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von KI?
- Die sehe ich in unseren Netzwerken, welche eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Hochschulen ermöglichen. Gleichzeitig haben wir einen sehr spannenden Mix aus Kompetenzen im Bereich Informatik, Ingenieurswesen und Zukunftsfeldern wie erneuerbaren Energien oder Medizintechnik. Auf diesen Schnittstellen liegen hochspannende KI-Themen, wie z.B. Embodied AI.
Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, um Schleswig-Holstein als KI-Vorreiter zu positionieren?
- Aktuell ist es aus meiner Sicht unrealistisch, dass ein einzelnes Bundesland international offensichtlicher Vorreiter in KI wird. Dazu ist der Wettbewerb um die schlauen Köpfe und die besten Standorte schon zu heiß gelaufen. Ich sehe unsere Chance aber darin, dass wir uns auf Nischenthemen fokussieren können, die optimal auf unsere Stärken passen. KI ist so viel mehr als vorübergehend gehypte Methoden. Wir sollten uns trauen hinter die Fassade zu blicken und mit unseren eigenen Stärken genau die KI-Themen besetzen, in denen wir langfristig etwas voranbringen können.