EU AI Act: Neues Bürokratiemonster oder vorbildlicher europäischer Vorstoß zur Regulierung von KI?
Von Prof. Dr. Doris Weßels
Diese Frage beschreibt die gegensätzlichen Positionen in der aktuellen Diskussion zur Regulierung von KI-Systemen in Europa. Nach jahrelanger Diskussion hat es nun aber eine Weichenstellung gegeben. Nachdem der EU AI Act am letzten Freitag (2. Februar 2024) von allen Ausschussmitgliedern der ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten (einstimmig!) angenommen wurde, ist dieser Gesetzesentwurf mit seinen 892 Seiten auf dem besten Wege, das weltweit erste Gesetz für die Entwicklung und den Einsatz künstlicher Intelligenz zu werden.
Politischer Diskurs und Artikel 1
Mit dem Aufkommen der großen KI-Sprachmodelle (LLM) und den darauf basierenden Anwendungen wie ChatGPT & Co. verschärfte sich in den letzten Monaten der politische und wirtschaftliche Diskurs und entzündete sich an der Frage, ob und wie ein derartiges Gesetzeswerk die Balance finden könne zwischen dem notwendigen Schutz der Gesellschaft vor z.B. Deepfakes oder einer umfassenden KI-Überwachung und der Offenheit zur Entwicklung und Nutzung dieser Zukunftstechnologie für europäische Unternehmen. Letztere sollten natürlich im Vergleich zu den ohnehin führenden Nationen USA und China im Wettbewerb bestmöglich gefördert und nicht ausgebremst werden. Zur Erläuterung der Zielsetzung siehe Artikel 1 des Entwurfs: https://artificialintelligenceact.eu/de/article/1.
Zweck dieser Verordnung ist es, das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern und die Einführung menschenzentrierter und vertrauenswürdiger künstlicher Intelligenz zu fördern und gleichzeitig ein hohes Niveau des Schutzes der Gesundheit, der Sicherheit, der in der Charta verankerten Grundrechte, einschließlich der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Umweltschutzes, vor schädlichen Auswirkungen von Systemen der künstlichen Intelligenz in der Union zu gewährleisten und die Innovation zu unterstützen.
Auf die Umsetzung wird es ankommen
Der Grundtenor des neuen Gesetzentwurfes lautet: Je risikoreicher die Anwendungen, desto mehr Anforderungen gelten für die Einhaltung der Sicherheit der Systeme, ihre Transparenz und Dokumentation. Es ist allerdings noch nicht vorhersehbar, ob wir mit diesem Mammutwerk einen Durchbruch errungen oder uns ins wirtschaftliche KI-„Abseits“ katapultiert haben. Aus meiner Sicht ist die grundsätzliche Stoßrichtung gut und richtig, aber entscheidend werden die Art der Umsetzung in allen EU-Mitgliedsstaaten und das kontinuierliche Monitoring mit schneller Adaptionsfähigkeit sein. Wie komplex die Thematik und der Interpretationsspielraum bei der Umsetzung sein werden, spiegelt sich bereits bei der Begriffsdefinition eines KI-Systems wider: Ein KI-System ist ein maschinengestütztes System, das so konzipiert ist, dass es mit unterschiedlichem Grad an Autonomie operieren kann, das nach seiner Einführung Anpassungsfähigkeit zeigen kann und das für explizite oder implizite Ziele aus den Eingaben, die es erhält, ableitet, wie es Ausgaben wie Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen generieren kann, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können.
Der Digitalverband Bitkom, vertreten durch sein Vorstandsmitglied Susanne Dehmel, hat sehr pointiert auf die strategische Bedeutung für den europäischen Wirtschaftsraum hingewiesen: „Wenn wir wollen, dass Unternehmen in Europa und Deutschland weiterhin KI entwickeln und nutzen, müssen wir bei der Umsetzung des AI Act auf unnötige bürokratische Hürden und eine Konsistenz mit der existierenden Gesetzgebung achten“, so Dehmel. „Mit dem AI Act und seiner Umsetzung entscheidet sich, ob europäische Unternehmen und Startups die Chance haben, mit den globalen Innovationstreibern der KI Schritt zu halten oder sich sogar an die Spitze dieser Epoche prägenden Technologie zu setzen.“
Hier zur Pressemitteilung des bitkom: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Umsetzung-AI-Act