Ein erster Blick auf Googles Browser

Google hat seinen Browser Chrome am heutigen Dienstagabend als Beta-Version zum Download bereitgestellt. Das Programm wird zunächst nur für Windows-Plattformen erhältlich sein. Bei einer Präsentation in der Hamburger Google-Zentrale konnte sich heise online einen ersten Eindruck von dem neuen Browser verschaffen.

Nach Angaben von Jürgen Galler, verantwortlicher Produktmanager für die EMEA-Region, nutzt Chrome als HTML-Renderer WebKit, das auch in Apples Safari seinen Dienst verrichtet. Ein Grund für die Entscheidung für das quelloffene Rendering seien gute Erfahrungen bei der Umsetzung des Smartphone-Betriebssystems Android gewesen. WebKit sei sehr schnell und für Entwickler einfach in ein neues Projekt zu integrieren. Ansonsten wurde laut Galler aber so ziemlich alles an Chrome von Grund auf neu entwickelt.

Rund zwei Jahre habe das Unternehmen an der Entwicklung des eigenen Browsers gearbeitet, inzwischen sei Chrome "schon bei Tausenden Google-Mitarbeitern im Einsatz". Dabei legte Google eigenen Angaben zufolge großen Wert auf Performance, Stabilität und Sicherheit. So entspricht jeder Browser-Tab jetzt einem eigenen Prozess; stürzt einer ab, reißt das nicht gleich den gesamten Browser mit in den Abgrund. Microsoft hat seinem kürzlich erschienenen Internet Explorer Beta 2 die gleiche Architektur verpasst. Auf ähnliche Weise haben jetzt auch JavaScripts in Chrome eigene Threads: lahmt eines, bremst es nicht den gesamten Browser aus.

Aufgeräumt hat Google auch die Speicherverwaltung. Surfer können ein Lied davon singen, dass gängige Browser im Laufe einer längeren Sitzung immer lahmer werden. Ein Grund dafür ist eine schlampige Speicherverwaltung, die nicht mehr benötigte Speicherbereiche nicht gleich wieder freigibt. Chromes Memory Manager soll dies verhindern. Der Benutzer kann sich in Chrome sogar anzeigen lassen, welche Websites und Plug-ins wie viel Speicherplatz verbrauchen und diese gegebenenfalls beenden. Mit bestehenden JavaScript-Engines war Google nicht zufrieden. Deshalb hat ein eigenes Team eine neue geschrieben, die dank besserer Garbage Collection und einem Just-in-time-Compiler wesentlich schneller sein soll als die Konkurrenz. Die Performance demonstrierte Galler anhand eines eigenen Testszenarios, bei dem Chrome Standardaufgaben etwa 15 Mal schneller als der Internet Explorer und 10 Mal flotter als Firefox erledigte.

Bei etlichen Details der Bedienoberfläche hat sich Google von Opera inspirieren lassen, etwa bei der Startseite. Statt eine leere Seite darzustellen, wenn der Benutzer einen neuen Tab öffnet, kann Chrome wie Opera bis zu neun Seiten für den Schnellzugriff anbieten. Darüber hinaus präsentiert die Startseite eine Auswahl von Suchmaschinen, die zuletzt angelegten Bookmarks und die zuletzt geschlossenen Tabs. Wie bei Opera zeigt der Google-Browser Site-spezifische Bedienelemente wie die Vor- und Zurückknöpfe jetzt im jeweiligen Tab an, und wie beim norwegischen Browser kann man Tabs von einem Browserfenster in ein anderes ziehen. Die Adressleiste, die in Chrome Omnibox heißt, hilft dem Benutzer, durch automatische Vervollständigung während der Eingabe bereits besuchte Seiten wiederzufinden. Außerdem macht sie Vorschläge für Suchbegriffe und für Sites, die der Nutzer zwar noch nicht besucht hat, die aber generell beliebt sind. Dazu überträgt sie die Eingaben des Nutzers an Google-Server – ähnlich wie eine Funktion im Firefox. Anwender, die keine Spuren im Browser hinterlassen wollen, können in einem privaten Modus surfen. Chrome speichert dann weder die besuchten Sites oder Cookies noch andere Daten im Browser. Microsoft hat seinem Internet Explorer in der Beta 2 einen solchen "Porno-Modus" eingebaut, Safari besitzt ihn schon länger. Während ein Popup-Blocker unerwünschte Werbefenster unterdrückt, sollen permanent aktualisierte Filter Chrome gegen Malware und Phisher immunisieren. Sandboxing soll für zusätzliche Sicherheit sorgen: Jeder Browser-Tab läuft in einer einzelnen Sandbox ab, der Benutzer kann festlegen, welche Rechte welche Website für den Zugriff auf Browser-Ressourcen erhält. Das Modell erinnert ein wenig an das Zonenmodell des Internet Explorers. Es stößt laut Hersteller derzeit allerdings bei Plug-ins an seine Grenzen. Google hofft auf die Kooperation der Plug-in-Hersteller. Mit wenigen Änderungen sei es möglich, die Browser-Erweiterungen an das Sicherheitskonzept anzupassen. Mit Chrome soll der Unterschied zwischen Desktop- und Online-Anwendung noch ein wenig mehr verwischen, wie mit den Browser-Konkurrenten. So unterstützt der Google-Browser einen Modus ohne Adressleiste und andere übliche Browser-Bedienelemente, in dem sich ein Webdienst nahtlos in den Desktop integriert. Googles Eigengewächs Gears, mit dem Web-Anwendungen auch ohne Internet-Verbindung weiterfunktionieren, ist natürlich auch mit an Bord.

Auf den ersten Blick ist Chrome ein weiterer Browser, der einige wenige neue Bedienkonzepte auf den Markt wirft und die ohnehin schon starke Konkurrenz im Browser-Geschäft noch ein wenig belebt. Einige Beobachter, wie Michael Arrington vom Techblog Techcrunch, sehen in Chrome aber bereits einen Generalangriff auf Microsofts Ägiden – und zwar nicht nur auf das Browser-, sondern auch auf das Betriebssystemgeschäft.

Das ist zwar aus heutiger Sicht vielleicht noch etwas weit hergeholt. Angesichts zunehmend leistungsfähigerer Web-Anwendungen könnten allerdings Nutzer, die immer mehr Aufgaben im Internet erledigen, eines Tages ganz umsteigen. Steht ihnen dann ein zuverlässiger Browser als Plattform zur Verfügung, wäre es ihnen egal, auf welchem System dieser läuft. (jo/c't) / (pmz/c't)

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