Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG): Über Anforderungen, Förderungen und Know-How im DiWiSH-Netzwerk
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Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das am 25. Juni 2025 in Kraft tritt, erweitert die bestehenden Anforderungen an die Barrierefreiheit, die bisher für öffentliche Einrichtungen galten, nun auch auf privatwirtschaftliche Unternehmen. Ziel des Gesetzes ist es, die Zugänglichkeit von Produkten und Dienstleistungen zu verbessern und allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
In diesem Artikel werden wir die einzelnen Elemente des Gesetzes im Detail betrachten: den Geltungsbereich, die spezifischen Anforderungen an die Barrierefreiheit, die Pflichten, die Unternehmen erfüllen müssen, sowie die Übergangsfristen. Darüber hinaus informieren wir über mögliche Sanktionen bei Nichteinhaltung des Gesetzes und erörtern die Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten, die zur Umsetzung des BFSG bereitstehen.
Grundlagen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG)
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) zielt darauf ab, die Europäische Barrierefreiheitsrichtlinie (EU-Richtlinie (EU) 2019/882) umzusetzen und wird durch die „Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ (BFSGV) konkretisiert. Das Hauptziel des BFSG ist es, allen Menschen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, älteren Personen und solchen mit geringer Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien, die Teilhabe am Wirtschaftsleben zu ermöglichen, wobei der Fokus auf der digitalen Barrierefreiheit liegt. Während öffentliche Einrichtungen wie Behörden bereits verpflichtet waren, ihre Internetseiten barrierefrei zu gestalten, erweitert das neue Gesetz diese Anforderungen nun auch auf private Wirtschaftsakteure, also Unternehmen, und betrifft sowohl Produkte als auch Dienstleistungen.
Welche Produkte und Dienstleistungen fallen unter das BFSG?
Produkte, für die Barrierefreiheit verlangt wird
- Hardwaresystem für Universalrechner für Verbraucher inklusive Betriebssysteme (zum Beispiel Computer)
- Selbstbedienungsterminals, beispielsweise Geldautomaten oder Check-In-Automaten
- Verbraucherendgeräte, die für Telekommunikationsdienste gebraucht werden (zum Beispiel Mobiltelefone)
- Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang (zum Beispiel interaktive Fernseher)
- E-Book-Lesegeräte
- Router
Dienstleistungen, für die Barrierefreiheit verlangt wird
- Telekommunikationsdienste (Telefonie, Messenger oder Ähnliches)
- Elemente der Personenbeförderungsdienste wie beispielsweise Webseiten, Apps oder elektronische Ticketdienste
- Bankdienstleistungen
- E-Book-Software
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern (zum Beispiel E-Commerce, Online-Termin-Buchungs-Tools). Das heißt, Webshops und Apps sind auf jeden Fall betroffen.
Betroffene Unternehmen: Wer muss das BFSG beachten?
Die Bestimmungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) gelten für Hersteller, Händler und Importeure der betreffenden Produkte sowie für Anbieter der entsprechenden Dienstleistungen. Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten, sind von diesen Anforderungen ausgenommen. Jedoch müssen Kleinstunternehmen, die Produkte herstellen, die Vorgaben zur Barrierefreiheit erfüllen. Ein Kleinstunternehmen ist definiert als eine Organisation, die weniger als 10 Personen beschäftigt und einen Jahresumsatz oder eine Bilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro aufweist.
Kleinstunternehmen erhalten Unterstützung und Beratung zur Barrierefreiheit durch die Bundesfachstelle Barrierefreiheit.
Wichtige Fristen und Übergangsbestimmungen im BFSG
Das BFSG ist ab dem 28. Juni 2025 anzuwenden. So muss beispielsweise ein E-Book, das nach dem 28. Juni 2025 auf den Markt gebracht wird, grundsätzlich barrierefrei sein. Deshalb sollten Wirtschaftsakteure so früh wie möglich mit der Umsetzung der Barrierefreiheit beginnen.
Für einige Produkte und Dienstleistungen gibt es Übergangsbestimmungen, nach denen die Barrierefreiheitsanforderungen erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt sein müssen. Sie sind unter § 38 BFSG nachzulesen. So gibt es für bestimmte Dienstleistungen eine Übergangsfrist von fünf Jahren, für Selbstbedienungsterminals wiederum eine Übergangsfrist von 15 Jahren.
Anforderungen zur Barrierefreiheit: Was ist zu tun?
Produkte und Dienstleistungen gelten nach dem Gesetz als barrierefrei, wenn sie von Menschen mit Behinderung auf gewöhnliche Weise, ohne größere Schwierigkeiten und grundsätzlich ohne Hilfe Dritter auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Es wird grundsätzlich erwartet, dass die Wahrnehmung von Informationen über mindestens zwei Sinne möglich ist. Die spezifischen Anforderungen für einzelne Produkte und Dienstleistungen sind in der Verordnung zur Umsetzung des Barrierefreiheitsgesetzes festgelegt. Bei der Umsetzung dieser Anforderungen muss der aktuelle Stand der Technik berücksichtigt werden. Konkrete Anforderungen basieren auf verschiedenen Normen und Standards, die von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit veröffentlicht werden.
Das BFSG beinhaltet Konformitätsvermutungen zur Erleichterung der Umsetzung: Werden bestimmte technische Normen oder EU-harmonisierte Normen sowie DIN- oder ISO-Standards (technische Spezifikationen) eingehalten, gilt die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen als vermutet, sofern diese Normen und Standards die Anforderungen an Barrierefreiheit abdecken.
Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung des BFSG
Bei Verstößen gegen die Vorschriften des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) können hohe Kosten entstehen. Verbraucher und anerkannte Verbände können sich direkt an die Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer wenden, um Verstöße zu melden. Auch Mitbewerber können durch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen Unterlassungsansprüche und Schadensersatzforderungen geltend machen.
Sollten die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt sein, kann die Marktüberwachungsbehörde den Rückruf oder das Verbot des betroffenen Produkts oder der Dienstleistung anordnen und Bußgelder bis zu 100.000 Euro verhängen.
Weitere Informationen, Hilfen und Checklisten werden auf dem Portal des Beauftragten der Bundesregierung für Informationssicherheit zur Verfügung gestellt.
Quellen:
Bundesfachstelle für Barrierefreiheit
Bundesminiterium für Soziales und Arbeit
Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik
IHK Schleswig-Holstein: Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
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Fördermöglichkeiten und Unterstützungsangebote
Förderungen
Die Aktion Mensch fördert über das Programm “Barrierefreiheit für alle” verschiedene Maßnahmen technischen und digitalen/medialen Barrierefreiheit Es gibt folgende Fördermöglichkeiten, welche Projekte zur digitalen Barrierefreiheit unterstützen:
- Mikroförderung Barrierefreiheit: Für kleinere Maßnahmen. Es können bis zu 5.000 Euro für Projekte mit einer Laufzeit von maximal einem Jahr beantragt werden. Eigenmittel sind nicht erforderlich.
- Investitionsförderung Barrierefreiheit: Für umfangreichere Projekte zur Herstellung von Barrierefreiheit. Die maximale Fördersumme beträgt 300.000 Euro bei einer Laufzeit von bis zu fünf Jahren. Es müssen mindestens 20% der förderfähigen Kosten als Eigenmittel aufgebracht werden.
- Förderaktion #1BarriereWeniger: Für Unternehmen, Geschäfte und öffentliche Einrichtungen, die in Kooperation mit einem gemeinnützigen Projektpartner Barrieren im öffentlichen Raum abbauen möchten. Es werden Zuschüsse von bis zu 5.000 Euro für Maßnahmen zur baulichen, technischen, digitalen/medialen Barrierefreiheit sowie barrierefreie Veranstaltungen gewährt. Die Laufzeit beträgt maximal 12 Monate.
Unterstützungsmöglichkeiten
Beratungs- und Informationsangebot der Bundesfachstelle Barrierefreiheit
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sieht vor, dass für Kleinstunternehmen (bis 10 Beschäftigte und max. 2 Mio. Euro Jahresumsatz) ein spezielles Beratungsangebot bei der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit geschaffen werden soll. Das Angebot wird Stand heute jedoch erst ab 2025 verfügbar sein. Ein umfangreiches Informationsangebot mit Webinaren und FAQ ist jedoch bereits heute vorhanden. > Mehr Infos
Engagement und Angebote im DiWiSH-Netzwerk
Im Netzwerk der Digitalen Wirtschaft Schleswig-Holstein (DiWiSH) gibt es einige Mitgliedsunternehmen, die sich intensiv mit dem Thema digitale Barrierefreiheit beschäftigen und in diesem Bereich aufklären, unterstützen und innovative Lösungen anbieten:
visuellverstehen
Die Visuell Verstehen GmbH ist ein Vorreiter im Bereich barrierefreies Webdesign. Sie bieten umfassende Dienstleistungen zur Erstellung barrierefreier Websites an und haben mehrere informative Blogbeiträge verfasst, die die Vorteile und die finanziellen Fördermöglichkeiten von digitaler Barrierefreiheit beleuchten. Besonders hervorzuheben sind ihre Leitfäden zur digitalen Barrierefreiheit, die detaillierte Anleitungen und praktische Beispiele enthalten.
- Vorteile einer barrierefreien Website
- Leitfaden für digitale Barrierefreiheit
- So wird digitale Barrierefreiheit finanziell gefördert
PPI AG
Die PPI AG hat sich auf die digitale Barrierefreiheit bei Finanzinstituten spezialisiert. Sie unterstützen Banken und Finanzdienstleister dabei, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten.
Inmedium
Inmedium aus Neumünster bietet unter anderem Beratung zur barrierefreien Gestaltung von Websites an, um den Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes gerecht zu werden. Ihre Dienstleistungen berücksichtigen verschiedene Beeinträchtigungen wie Sehbehinderungen, Hörbeeinträchtigungen und motorische Einschränkungen. Ein Whitepaper mit wichtigen Informationen zur digitalen Barrierefreiheit steht ebenfalls zur Verfügung. Sie haben ein Whitepaper mit dem Titel “Barrierefreie Websites: Ein Leitfaden mit Checkliste” veröffentlicht, das praktische Tipps und Checklisten für die Umsetzung bietet.
UXMA
Mit UXMA gibt es ein weiteres DiWiSH-Mitglied, das sich intensiv mit digitaler Barrierefreiheit auseinandersetzt. In ihrem Blogbeitrag “Toolbasierte Accessibility” erklären sie beispielsweise, wie sie mithilfe von speziellen Tools Barrierefreiheit in ihren Projekten sicherstellen. Sie gehen dabei auch auf das BFSG ein und erläutern anhand von Praxisbeispielen, wie die Lesbarkeit und Nutzerfreundlichkeit von Websites verbessert werden können.
New Communication GmbH & Co. KG
New Communication hat im Rahmen eines Projekts mit Dataport die Website neu gestaltet und dabei besonderen Wert auf Barrierefreiheit gelegt. In ihrem Blogbeitrag “Dataport Website Relaunch” berichten sie ausführlich über die Zusammenarbeit und die Herausforderungen bei der Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards.
Webinare & Weiterbildungsmöglichkeiten
DiWiSH bietet regelmäßig Webinare und Veranstaltungen zum Thema digitale Barrierefreiheit an, darunter:
6. Juni 2024: DiWiSH & CGI: Accessibility als Pflichtübung und Business Case
4. Juli 2024: DiWiSH & IHK & Alle Wetter: Digitale Teilhabe: BFSG 2025
Weitere kostenlose Veranstaltungen und Angebote werden regelmäßig auf der DiWiSH-Website ergänzt.