Das Bauchgefühl entscheidet: durch Verhaltensökonomie zu besseren Conversational Interfaces

Chatbots und digitale Assistenten erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Nutzern und Unternehmen. Die Conversational UIs unterstützen beispielsweise in der Produktauswahl oder übernehmen standardisierte Serviceanfragen und reduzieren so den Aufwand sowohl für den Nutzer als auch das Unternehmen. In der Praxis erleben wir jedoch häufig, dass die Dialoge der Conversational UIs nicht den Erwartungen der Kunden entsprechen. Das Gespräch verläuft holprig und unnatürlich, der Nutzer wird nicht in seiner Entscheidungsfindung unterstützt. Offensichtlich fällt es vielen Unternehmen schwer, die Bedürfnisse der Nutzer bei der Konzeption in den Mittelpunkt zu stellen und deren Entscheidungskontext richtig einzuordnen. Woran liegt das?

Lang lebe der homo oeconomicus – oder etwa nicht?

Entgegen der geläufigen Meinung, der Mensch als rationales Wesen träfe Entscheidungen anhand objektiv messbarer Kriterien, zeigen Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie das Gegenteil. Wissenschaftler, u. a. Richard Thaler und Daniel Kahnemann, wiesen nach, dass wir nur in 5 Prozent der Fälle wirklich rational entscheiden. 95 Prozent unserer täglichen Entscheidungen, und damit auch unserer Kaufentscheidungen, fällen wir intuitiv aus dem Bauch heraus. Das intuitive Entscheidungssystem handelt dabei nicht willkürlich, sondern anhand sogenannter Behavior Patterns. Darunter versteht man Verhaltensmuster, die tief in jedem Menschen verankert sind und sich nur sehr schwer ändern lassen. Die Behavior Patterns bestehen aus überwiegend unbewussten Heuristiken (mentalen Daumenregeln) und Biases (kognitiven Verzerrungen), welche jede unserer täglichen Entscheidungen bestimmen. Gegen ihren Einfluss kann man sich nicht wehren: Selbst wenn man um sie weiß, bleibt ihre Wirkung bestehen.

Behavioral Pattern erfolgsentscheidend für Conversational Interfaces

Obgleich die Erkenntnisse der Verhaltensökonomie kein wohlgehütetes Geheimnis sind, beobachten wir in der Praxis immer wieder das gleiche Bild: Der Kunde wird mit rationalen Kaufargumenten wie Produktinformationen und Vergleichstabellen überhäuft, das unbewusste Entscheidungskriterien hingegen ignoriert. Der Nutzer wird so jedoch nicht in seiner Entscheidungsfindung unterstützt, das Conversational Interface generiert keinen Kundenmehrwert und der Nutzer bricht im schlechtesten Fall den Dialog ganz ab. Diesen schlechten Eindruck zu revidieren und die Auswirkungen auf die Kundenbeziehung zu kitten, bedarf einiger Mühen, welche Unternehmen durch gezielte Berücksichtigung von Behavior Patterns erspart bleiben.

Die Wirkung von Behavior Patterns in der Websiteoptimierung konnte bereits in der von elaboratum veröffentlichten Studie PsyConversion® verdeutlicht und zeigte sich auch in der Praxis: durch den Einsatz von Behavior Pattern entlang der gesamten Customer Journey konnte auf Websites die Conversion Rate um durchschnittlich etwa 50 Prozent verbessert werden.

In einem kooperativen Experiment mit der Universität Göttingen wurden in einem A/B-Test mit 347 Teilnehmern zudem erfolgsversprechende Erkenntnisse für Sprachassistenten gesammelt. Der mit Behavior Patterns optimierte Sprachassistent stimmte die Nutzer durchschnittlich 42,2 Prozent zufriedener, die Anzahl der Nutzer, die über einen solchen Sprachassistenten einen Kauf tätigen würden, erhöhte sich um 81,3 Prozent.

Unternehmen sollten diese Erkenntnisse für sich nutzen, um das volle Potenzial ihres Conversational Interfaces auszuschöpfen.

Die Top 10 Must-have Behavior Pattern für jedes Conversational Interface

Behavior Patterns wirken stets im jeweiligen Entscheidungskontext, weshalb ein tiefes Verständnis der Persona und des Use Cases Voraussetzung für eine sinnvolle Integration von Behavior Patterns darstellt. Nichtsdestotrotz kristallisierten sich in der Praxis 10 Behavior Patterns heraus, die nahezu universell in Conversational UIs eingesetzt werden können. Die vollständige Liste der Patterns finden Sie im neuesten Whitepaper von elaboratum, beispielhaft seien an dieser Stelle drei Patterns genannt:


Behavioral Bot Design – In 4 Schritten zum nutzerzentrierten Conversational UI

Um ein Conversational UI mit Behavior Patterns zu konzipieren und optimieren, empfiehlt sich ein systematischer Ansatz. Wir empfehlen die folgenden Schritte, die für einen nutzerzentriertes Vorgehen entscheidend sind:

 

  • Auswahl des Use Cases

Schon bei der Wahl des Use Cases muss aus Sicht der Nutzer gedacht werden: Wo stellt ein Bot den größten Mehrwert für den Kunden dar? Welche Aufgaben können dem Kunden erleichtert werden? Welchen zusätzlichen Mehrwert kann ein Bot an welcher Stelle generieren? Welche Art des Conversational Interfaces ist an welcher Stelle und für welchen Use Case geeignet? Die Auswahl eines sinnvollen Use Cases legt die Basis, entscheiden Sie hier vorschnell, gefährden Sie den gesamten Business Case.

 

  • Technik zum Use Case

Je nach Use Case existieren unterschiedliche Anforderungen an die Funktionalitäten des Bots. Obschon die Anbieter die Basisfunktionen allesamt bieten, lassen sich doch Unterschiede je nach Schwerpunkt ausmachen, die schon bei der Anbieterauswahl berücksichtigt werden sollen. Ein dedizierter Anbietervergleich ist daher unerlässlich.

 

  • Nutzerzentriertes Design: PsyConversion® für Conversational User Interfaces

Das Design sollte anhand der vielfach erprobten PsyConversion®-Methode erfolgen, welche Ihren Nutzer in den Mittelpunkt stellt und seine Bedürfnisse holistisch erfasst und berücksichtigt. Von der Entwicklung der Nutzerpersona über die Auswahl geeigneter Behavior Patterns hin zur Konzeption der Trigger lautet das oberste Gebot, Ihrem Nutzer den Entscheidungsprozess so einfach und intuitiv wie möglich zu gestalten.

 

  • Testing und Optimierung

Behavior Patterns wirken – so viel steht fest. Nichtsdestotrotz ist für ein kundenzentriertes Vorgehen das Testing und die anschließende Optimierung Pflicht, um das beste Erlebnis für Ihre Kunden zu ermöglichen. Zunächst müssen Sie versuchen, eine hohe Interaktionsrate des Nutzers mit dem Conversational UI zu erreichen. Schließlich muss der Bot trainiert werden, sodass möglichst oft eine passende Antwort geliefert wird. Wichtig ist, dass auf inhaltlicher Ebene die Qualität des Contents stetig verbessert wird. Sie müssen den Nutzer also aktiv nach Feedback fragen (z. B. durch Ratings – Daumen hoch/runter) und anschließend durch mehrere Iterationen Verbesserungen vornehmen.

 

Conversational UIs bieten schon heute eine Reihe Vorteile für Nutzer und Unternehmen. Wahrlich nutzerzentriert werden sie jedoch erst durch die Berücksichtigung unbewusster Verhaltensmuster. Barrierefreie und intuitive Dialoge unterstützen die Entscheidungsfindung der Nutzer und generieren dadurch einen echten Kundenmehrwert, der zum Differenzierungsfaktor wird. Aus unserer Sicht werden sich langfristig nur diejenigen Conversational UIs am Markt etablieren, welche diese Erkenntnisse nutzen und die Verhaltensmuster entsprechend berücksichtigen.

Das Whitepaper mit der Erklärung aller Top 10 Must-have Behavior Patterns für jedes Conversational Interface finden Sie hier.

 

Die Autoren

Anja Linnert ist Consultant bei elaboratum mit den Schwerpunktthemen User Experience und Usability sowie verhaltenswissenschaftliche Website- und Conversion-Optimierung. Sie blickt auf mehrjährige Projekterfahrung in der E-Commerce-Konzeption und Implementierung von AI in der Nutzung von NLP zur Kundenfeedbackanalyse sowie in der Konzeption und Erstellung von Chatbots zurück.

 

Dr. Philipp Spreer ist Principal Consultant bei elaboratum und Leiter des Standorts Hamburg. Er beschäftigt sich seit über 10 Jahren empirisch mit dem Nutzerverhalten im digitalen Kontext. Seine Schwerpunkte sind ganzheitliche UX-Konzepte und Wachstumsstrategien mit verhaltenspsychologischen Mitteln.

 

Kontakt

elaboratum GmbH

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